Fliegen kann jeder by Halmer Günther Maria

Autor:Halmer, Günther Maria [Halmer, Günther Maria]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: C. Bertelsmann Verlag
veröffentlicht: 2017-04-01T09:50:28+00:00

Kaum wieder in München, dem Ziel meiner Wünsche, hatte ich – ganz gegen meinen Willen und meine doch so klaren ehrgeizigen Ziele – große Sehnsucht nach Claudia. Ich sträubte mich gegen diese Gefühle, wollte mich doch ganz und gar auf meine Karriere konzentrieren, aber ich konnte Claudia einfach nicht vergessen. Ich hatte mit dem Feuer gespielt, und nun stand das ganze Haus in Flammen. Schließlich gab ich meinen Widerstand auf. Gegen Liebe ist kein Kraut gewachsen, sagt ein altes Sprichwort. Es stimmt. Claudia war inzwischen in Pforzheim am Theater engagiert. In der Folge kam es zu einem regen Pendelverkehr zwischen München und Pforzheim. Wann immer es möglich war, kam Claudia die dreihundert Kilometer zu mir nach München in meine kleine, möblierte Wohnung im Lehel. Und immer, wenn sie da war, ging es mir gut. Aber auch ich fuhr in jeder freien Minute nach Pforzheim. Keine Autobahn in Deutschland kannte ich schließlich besser als die A 8 von München nach Pforzheim, einschließlich aller Baustellen. Doch diese Prüfung unserer Wochenendliebe, über so viele Kilometer und Monate hinweg, war für uns beide ein Beweis für die Ernsthaftigkeit unserer Beziehung. Manchmal ist es gut, auf sein Herz zu hören, aber man sollte den Verstand dabei nicht ganz ausschalten.

Seit über vierzig Jahren sind Claudia und ich nun verheiratet und unzertrennlich. Claudia wurde für mich – den ehrgeizigen Egomanen – ein unersetzlicher, intelligenter, kluger und warmherziger Lebenspartner in allen Bereichen und nicht zuletzt die Mutter unserer beiden Söhne. Wenn ich nun nicht mehr ganz so schroff, ganz so dickköpfig auftrete, ist das ganz allein ihr Verdienst. Sehr diplomatisch und liebevoll machte und macht sie mich noch immer auf mein manchmal allzu widerborstiges und sperriges Benehmen aufmerksam.

In meiner Geschichte ist immer wieder von einem roten Faden die Rede, und manchmal habe ich tatsächlich das Gefühl, dass eine unsichtbare Hand unsere Geschicke lenkt. Vielleicht stimmt das auch, und es gibt keine Zufälle im Leben. Claudia hat mir später gestanden, dass sie schon nach zwei Monaten ihren Eltern geschrieben habe, sie habe ihren künftigen Ehemann gefunden. Nämlich mich. Wie auch immer, dieses eine Jahr in Oberhausen war für mein weiteres Leben und das von Claudia und dadurch natürlich für unsere Söhne von schicksalhafter Bedeutung.

Immer wieder und mit der Zeit immer öfter werden wir beide bei Interviews nach dem Geheimnis unserer Verbindung gefragt. Schauspieler, die so lange verheiratet sind, gelten als ungewöhnliche Exemplare. Was sollen wir darauf antworten? Ist das ein Geheimnis, wenn man den festen Willen hat, trotz mancher Meinungsverschiedenheiten zusammenzubleiben und Vertrauen zueinander zu haben? Das verlangt Respekt, Ehrlichkeit und Verständnis für den anderen. Ob ich allerdings mit mir verheiratet sein wollte, weiß ich nicht. Eine andere Frau hätte mich mit meinem störrischen Charakter und meiner Egomanie vielleicht schon lange in die Wüste geschickt. Es hat doch sehr viel Liebe und Verständnis von Claudia gefordert, mich auszuhalten. Dafür bin ich ihr sehr, sehr dankbar.

Nach diesem einen Jahr in Oberhausen hatte ich mich für die Saison 1970/1972 bei den Münchner Kammerspielen beworben. Der Intendant August Everding erinnerte sich zum Glück an mich und bot mir einen Zweijahresvertrag an.

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